Unsere Gemeindegeschichte

Im Jahre 1910 kamen die Brüder Wilhelm und Karl Gerwig von Uslar im Solling als Strickermeister nach Nürtingen, damals eine bekannte Strickereistadt. Bis nach Ende des II. Weltkrieges gab es in Neckarhausen eine Stationsniederlassung der Gemeinde Tübingen. Gottesdienste und Bibelstunden fanden statt im Hause von Wilhelm und Auguste Gerwig. Einmal im Monat wurde die Neckarhauser Station vom Prediger aus Tübingen besucht. Schon damals kamen die Mitglieder der Gemeinde aus den umliegenden Ortschaften Nürtingen, Oberensingen, Frickenhausen und Neuffen. Schon im 19. Jahrhundert gab es in Kirchheim eine Gemeinde, die allerdings 1892 aufgelöst wurde, nachdem die letzten drei Schwestern an die Gemeinde Stuttgart überwiesen worden waren. Nach der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten 1945 begannen hier wieder Hausversammlungen als Stationsgemeinde von Stuttgart. In dieser Zeit wuchs auch die Station Neckarhausen durch die heimat-vertriebenen Geschwister aus dem Osten. In beiden Gemeindestationen kam schließlich der Gedanke auf, einen gemeinsamen Prediger zu berufen. So kam im Frühjahr 1947 Prediger Emil Lant aus Schmölln/DDR nach Kirchheim. Bald jedoch wanderten Geschwister Lant nach USA aus.

1950 wurde Prediger Otto Gartmann (ebenfalls Heimatvertriebener) als Nachfolger von Bruder Lant berufen. Bald beantragten die beiden Stationsgemeinden Kirchheim und Nürtingen-Neckarhausen die Anerkennung als eine gemeinsame selbständige Bundesgemeinde. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1951 teilte das Bundesmissionshaus mit, daß der Bundesrat auf seiner Tagung im September 1951 in Dortmund beschlossen hat, die Gemeinde Kirchheim-Nürtingen als selbständige Gemeinde in den Bund aufzunehmen. Die Gemeinde zählte damals 122 Mitglieder. Bis Anfang 1950 fanden die Zusammenkünfte der „Nürtinger“ in der Strickwarenfabrik Gebr. Heusel statt. Die Gemeinde musste mehrfach umziehen, u.a. in die Heiligkreuzstrasse, wieder nach Neckarhausen zur ev. Gemeinschaft und schließlich im Februar 1963 in die Gustav-Werner-Straße nach Oberensingen, wo eine ehemalige Schreinerei zu einem Gottesdienstraum umgebaut worden war. Auch die „Kirchheimer“ hatten eine Odyssee durch diverse Gasthaussäle zu durchleben. In beiden Teilgemeinden reifte der Wunsch nach einem eigenen „Zuhause“ heran und so wurde 1962 in Kirchheim in der Jesinger Straße gebaut und am 13. Oktober 1974 konnten die Nürtinger ihre Erlöserkirche im Rieth einweihen. Dies war möglich durch unermüdlichen persönlichen Einsatz, auch gemeindeübergreifend, und unter beträchtlichem finanziellem Engagement. So halfen handwerklich begabte Nürtinger Geschwister den Kirchheimern beim Bau und umgekehrt. Ein großer Meilenstein in der Gemeindegeschichte!

Die Teilgemeinden Kirchheim und Nürtingen waren bezüglich ihrer gottesdienstlichen Veranstaltungen und ihrer finanziellen Verpflichtungen weitgehend selbständig. Lediglich die Gemeindeleitungen tagten gemeinsam. Zeitweise wurde Gruppen- wie bspw. Jugend-  oder auch Seniorenarbeit gemeinsam durchgeführt. Doch beide Teilgemeinden beriefen jeweils miteinander einen gemeinsamen Pastor. Die sonntäglichen Gottesdienste wurden in den beiden Teilgemeinden zeitversetzt durchgeführt, so dass die hauptamtlichen Pastoren jeweils zwei Gottesdienste zu leiten hatten. Relativ oft übernahmen begabte Brüder den Predigtdienst, auch im Austausch zwischen den beiden Teilgemeinden. So war man in ständiger Verbindung.

Seit Kriegsende wirkten in Kirchheim-Nürtingen folgende Pastoren:

1947 – 1950

Emil Lant

1967 – 1975

Joachim Radtke

1950 – 1957

Otto Gartmann

1975 – 1980

Siegfried Kuhs

1957 – 1967

Georg Bechtler

1982 – 1988

Helmut Gaertner

In Pastor Gaertners Dienstzeit erfolgte die Anstellung einer vollzeitlichen Seelsorgerin: Schwester Hannelore Döpp. Intensive seelsorgerliche Arbeit bewirkte inneres und äußeres Wachstum. Nun entschloss man sich, einen weiteren Pastor zu berufen, der für Nürtingen zuständig sein sollte.

Bald nach der Berufung von Pastor Hermann Kettenbach 1988 hat sich die Gesamtgemeinde Kirchheim-Nürtingen einstimmig für einen Antrag auf Verselbständigung beider Teilgemeinden entschieden. Auf der Bundesratstagung der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden im Mai 1989 wurde Nürtingen der Status einer selbständigen Gemeinde erteilt. Damit war ein weiterer bedeutsamer Meilenstein in der Entstehungsgeschichte der Gemeinde erreicht, denn von nun an wurden ihre Geschicke in eigener Verantwortung gelenkt. Damals gehörten zur Gemeinde Nürtingen rund 100 Mitglieder. Dazu kamen noch 40 Kinder und ein Freundeskreis von ca. 30 Personen.

In den darauffolgenden Jahren wurde viel Arbeit darauf verwendet, gesunde innere Wachstums-Strukturen zu schaffen. Menschen, die neu zur Gemeinde kamen, sollten sich angenommen, geborgen und wohl fühlen in der Gemeinde; aber auch erfahren, dass sie im Reich Gottes gebraucht würden, und lernten, ihre Begabungen einzusetzen.

So entstand eine strukturierte Hauskreisarbeit und auf die Entwicklung von Gruppenarbeiten wurde großer Wert gelegt. Auch die sonntäglichen Gottesdienste veränderten im Laufe der Zeit ihr Gesicht: Gemeinschaftsteil, Fürbitte- und Anbetungszeit sowie der Verkündigungsteil sind bis heute die drei Säulen dieser Zeit.

Der Gottesdienst, aber auch das Gruppenspektrum der Gemeinde wurden als ansprechend und attraktiv empfunden, so dass die Gemeinde innerhalb von wenigen Jahren um ein Viertel wuchs, wodurch nicht nur im Gottesdienstraum, sondern auch in den Gruppenräumen drangvolle Enge entstand. Heinrich Gerwig, der Planer der Erlöserkirche 1974 wurde auch jetzt damit beauftragt, alle Erweiterungsmöglichkeiten auszuloten. Am 2. Mai 1994 erfolgte der Spatenstich und am 14. Mai 1995 konnte der großzügige Erweiterungsbau festlich eingeweiht werden.

Vom September 1999 bis Juli 2019 tat Pastor Johannes Hilliges einen gesegneten Dienst in unserer Gemeinde. Von September 2019  bis Oktober 2021 waren wir mit Pastor Peter Stenger und seiner Familie unterwegs.

Als Gemeinde blicken wir staunend und dankbar zurück auf die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, in denen der himmlische HERR der Gemeinde, Jesus Christus, in unserer Stadt Nürtingen auch durch uns Geschichte seiner Kirche geschrieben hat. Heute können wir frohen, dankbaren Herzens sagen, dass wir durch Jesu Gnade dabei gewesen sind.

 

Zusammengestellt: 22.9.2001, Heiner Gerwig, Gemeindeleiter

Quellen: Archivunterlagen, Protokolle, Festschriften (Hans Reeß, Hermann Kettenbach)